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Barbara Siller
Der Deutsche Wald. Kulturgeschichte, Mythologie, Ökologie National University of Ireland, Galway
Der Wald als vielschichtiger und ambivalenter Erfahrungs- und Erinnerungsraum im Roman Engel des Vergessens von Maja Haderlap (2011)
Galway
Invited Lectures (Conference)
2021
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15-OCT-21
16-OCT-21
Anhand von Figuren aus drei Generationen erzählt die Autorin Maja Haderlap in ihrem biographisch geprägten Roman Engel des Vergessens von den Erfahrungen einer kärntner-slowenischen Familie während des Zweiten Weltkrieges und in der Nachkriegszeit. Diese Erfahrungen sind im Text meist in familiären Erinnerungen aufbewahrt: Sie bestehen als Konflikterinnerungen (Huyssen 2009) im Gegensatz zu den öffentlichen Erinnerungsfeldern in Österreich, wo sie ins “dunkle […], vergessene […] Kellerabteil” (Haderlap 2013, 185) gedrängt werden und gerade dadurch unverarbeitet und traumatisierend bleiben. Dieser politisch-motivierten Verdrängung der Konflikterinnerungen der slowenischen Bevölkerungsgruppe im öffentlichen Raum werden im Text kommunikative Erinnerungen entgegengestellt, die nicht selten an Orten festgemacht werden, welche zu Trägern von Erfahrungen werden. Einen besonderen Platz nimmt dabei der Wald ein: Als ein uneindeutiger und sehr vielschichtiger Ort ist er für die Figuren unmittelbar mit dem Widerstand der Kärntner-Slowenen gegen den Nationalsozialismus verbunden: Während des Zweiten Weltkrieges ist der Wald ein Verstecks- und Zufluchtsort für die Partisanen, ein Ort der Bedrohung, des Todes, und auch ein Tatort. Nach dem Zweiten Weltkrieg wandelt sich der Ort des Waldes zu einem nicht weniger unheimlichen Erinnerungsort für die im Widerstand aktiven Kärntner-SlowenInnen: Er dient als Ersatz für einen lieu de mémoire im öffentlichen Raum und wird transgenerationell weitergegeben. Der Wald schreibt sich außerdem als Topos in die Gedanken, die Sprache und in die Erzählungen der Figuren ein. Der Beitrag geht den im Roman sich wandelnden und durchaus ambivalent gezeichneten Bedeutungen des Waldes im slowenischen Kärntnen nach, fragt aber auch nach der Haltbarkeit von Minderheitenerinnerungen. Am konkreten Beispiel von Haderlaps Roman stellt sich die Frage, inwiefern durch den Verlust der individuellen und kommunikativen Konflikterinnerungen, die sehr eng mit dem Kärntner Wald als Ort verknüpft sind, wesentliche Erinnerungsorte für Österreich verloren gehen, wenn für sie kein ‒ über den regionalen Raum hinaus reichender ‒ Erinnerungsort, also keine verlässlichen “Sicherungsformen der Dauer” und der “Wiederholung” (Assmann 2006, 217) geschaffen werden. Zitierte Literatur: Assmann, Aleida: Der lange Schatten der Vergangenheit. Erinnerungskultur und Geschichtspolitik. C.H. Beck 2016. Haderlap, Maja: Engel des Vergessens. Btb Verlag 2013 [Wallstein Verlag 2011]. Huyssen, Andreas: Transnationale Verwertungen von Holocaust und Kolonialismus. In: VerWertungen von Vergangenheit. Elisabeth Wagner und Burkhardt Wolf (Hg.). Verlag Vorwerk 8 2016. S. 30-50.